Visus bei Achromatopsie
Viele Achromaten kennen aus eigener Erfahrung, dass die Verordnung und vor allem die Kostenübernahme mehrerer Lichtschutzbrillen oder Kantenfilter-Kontaktlinsen schwierig sein kann. Auch bei der Einstufung nach dem Schwerbehindertengesetz wird das reduzierte Sehvermögen bei Helligkeit nur unzureichend berücksichtigt.
In einigen Fällen konnte unser Verein Mitglieder mit Erfolg fachlich beraten:
- Achromaten sind extrem lichtempfindlich.
- In Augenarztpraxen herrschen für Achromaten angenehme Lichtverhältnisse. Der dort ermittelte Visus sagt nichts über die weit geringere Sehkraft bei hellem Tageslicht aus.
- Die Zapfenfunktion in der Netzhaut, die für das Farben- und Tagsehen nötig ist, ist bei Achromaten gestört. Darum spricht man bei dieser Sehstörung auch von „Tagblindheit“.
Einerseits sind nur wenigen Augenärzten, Optikern und Sachbearbeitern bei Krankenkassen und Behörden die Einschränkungen des Sehens bei „Tagblindheit“ hinreichend bewusst. Andererseits gibt es aber auch kaum Literatur oder wissenschaftliche Studien zu diesem Thema.
Um unsere Mitglieder besser beraten und gegenüber Dritten fundierter argumentieren zu können, wandten wir uns an einige Universitäts-Augenkliniken, die schon in anderem Zusammenhang zur Sehstörung Achromatopsie geforscht haben.
So lernten wir Prof. Dr. Eberhart Zrenner und Doktorand Julian Hilmers am Forschungsinstitut für Augenheilkunde in Tübingen kennen. Sie arbeiten derzeit an einer Studie zur „Sehschärfe bei wechselnden Kontrasten und Beleuchtungen“.
Auf Anregung unserer Selbsthilfegruppe wird ein besonderer Schwerpunkt dieser Arbeit der Frage nachgehen, ob und wie sich die Sehkraft bzw. der Visus von Achromaten bei hellem, blendendem Licht verändert. Ziel ist es, zu belegen, dass Achromaten bei hellem Tageslicht einen weit geringeren Visus erreichen, als die in herkömmlichen Sehtests ermittelte Sehkraft von ca. 10 %. Die Feststellung, dass Achromaten bei hellem Sonnenlicht oder anderer Blendung trotz guter Versorgung mit Kantenfiltergläsern nur einen Visus von 0,02 erreichen, fußt bisher nur auf Erfahrungen und Begutachtungen weniger Augenärztinnen und Augenärzte. Würde diese Studie die täglichen Erfahrungen von Blendung und „Überbelichtung“ bei Achromatopsie bestätigen, dann wäre damit eine wissenschaftliche Basis gelegt. Wenn die Sehkraft zumindest zeitweise, z.B. bei sonnigem Tageslicht unter 5 % oder gar nur auf 2 % fällt, dann wäre die Tagblindheit objektiv festgestellt und Achromaten wären als hochgradig sehbehindert oder gar blind im Sinne der Gesetze einzustufen.
Erfreulich ist, dass sich einige unserer Mitglieder bereit erklärt haben, an dieser Studie aktiv teilzunehmen; weitere Probanden werden noch gesucht. Allerdings ist auch dieses Forschungsprojekt derzeit „wegen Corona“ leider ausgebremst. Julian Hilmers wird die Untersuchungen und Dokumentationen zu seiner Doktorarbeit so bald wie möglich wieder aufnehmen.
Quelle: Achromatopsie Selbsthilfe e.V., INFOmail 02/2020